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wimmer

Eckard Wimmer

9. Juli 2012 um 18:00 Uhr in der Print Media Academy Kurfürstenanlage 52-60, Heidelberg

Mit freundlicher Unterstützung der Manfred Lautenschläger Stiftung

Prof. Eckard Wimmer, Stony Brook University, New York

Ist die chemische Synthese infektiöser Viren oder Bakterien ein Segen oder ein Fluch für die Gesellschaft?

Zusammenfassung

2002 zeigte Eckard Wimmer, wie das Poliovirus, das die Kinderlähmung hervorruft, im Labor nachgebaut werden kann. Diese erste de novo chemisch/biochemische Synthese eines Organismus führte anschließend zur Entwicklung neuer Strategien für die Herstellung viraler Lebend-Impfstoffe (2008), die auf Computer-konzipierten Genomen mit hunderten von Mutationen basiert („genetic recoding“ des Genoms). Diese neuen gentechnischen Verfahren fördern auf der einen Seite die Entwicklung von Medikamenten im Kampf gegen Krankheiten wie SARS, AIDS, Kinderlähmung oder Meliodose, die Kehrseite der Medaille ist der Missbrauch dieser legitimen Forschung für die Herstellung von Biowaffen.

Biographie

1962 wurde Eckard Wimmer zum Dr. rer. nat. in Organischer Chemie an der Universität Göttingen promoviert. Sein Interesse an der Chemie der lebenden Zelle bewog ihn, zunächst in Vancouver, Kanada, als Postdoctoral Fellow über Transfer Ribonukleinsäuren zu arbeiten (die Zubringer von Aminosäuren zur Maschinerie der Proteinsynthese). Danach änderte er nochmals den Schwerpunkt seine Forschungen. Er konzentrierte sich auf Arbeiten mit Viren, vor allem Poliovirus, ein Thema, das ihn bis zum heutigen Tag fasziniert. Da in den siebziger Jahren in Deutschland wissenschaftliche Untersuchungen an Viren vorwiegend von Medizinern durchgeführt wurden, blieb der Chemiker Wimmer in den Vereinigten Staaten. An der St. Louis University in St. Louis, Missouri wurde er zum Associate Professor befördert (1969-1974), seit 1974 forscht und lehrt er an der Stony Brook University in Stony Brook, New York (Long Island). Hier wurde er Chairman der Abteilung Mikrobiologie in der Medizinischen Fakultät (1984-1999). 2002 wurde er zum „Distinguished Professor“ ernannt.

Durch seine Ausbildung als Chemiker war Wimmer stets fasziniert von der dualen Natur der Viren als Lebewesen und als nicht-lebende Aggregate organischer Makromoleküle. Während der vierundvierzig Jahre seiner Forschungen am Poliovirus hat er eine Reihe von Arbeiten publiziert, die jetzt als Meilensteine angesehen werden. Dazu gehört die Aufklärung der Primärstruktur und der Genorganisation des Poliovirus Genoms (1981), die den ersten direkten Beweis eines Polyproteins erbrachte, die Entdeckung des „internal ribosmal entry site“ (IRES) (1987/1988), die Charakterisierung des zellulären Rezeptors von Poliovirus (1988 ff.), die erste zellfreie Synthese eines Virus (Poliovirus) in einem Extrakt nicht-infizierter Zellen (1991), und die erste de novo chemisch/biochemische Synthese eines Organismus (Poliovirus) ohne Beteiligung eines natürlichen Templats (2002). Die Synthese des Poliovirus hat anschließend zur Entwicklung neuer Strategien für die Herstellung viraler Lebend-Impfstoffe (2008) geführt, die auf Computer-konzipierten Genomen mit hunderten von Mutationen basiert („genetic recoding“ des Genoms).